Salzburger Nachrichten, 13. Oktober 2000

Begabte werden gebremst

190 besonders begabte Schülerinnen und Schüler haben bereits eine Klasse übersprungen. Es könnten deutlich mehr sein, wenn Bremsklötze wegfielen.

SALZBURG (SN-job). Drei Prozent der 1,2 Millionen Schülerinnen und Schüler in Österreich gelten als besonders begabt. Aber nur wenige dieser "schnellen" Kinder und Jugendlichen können diesen Trumpf ausspielen. Eine aktuelle Befragung von Lehrerinnen und Lehrern zeigte: beinahe alle bejahen, dass hochbegabte Schüler besonders gefördert werden sollen; aber nur ein Drittel sieht sich im Schulalltag dazu in der Lage. Gründe sind zu große Klassen und zu wenig Ausbildung für einen Unterricht, der unterschiedlich begabten Kindern in einer Klasse gerecht wird.
Der Begabungsforscher Franz J. Mönks (Universität Nijmwegen) setzt daher bei der Ausbildung an. "Lehrerinnen und Lehrer haben kaum etwas über Hochbegabung gehört. Sie wissen alles über den Durchschnitt, aber wenig über Schüler, die schneller lernen."
Ein zweitägiger Kongress, der heute und am Samstag in Salzburg stattfindet, dient dem Ziel "Begabungen erkennen - Begabte fördern". Die mehr als 300 Teilnehmer sind für den Salzburger Landesschulratspräsidenten Gerhard Schäffer Beweis genug, "dass die Begabtenförderung nach jahrzehntelanger Skepsis den pädagogischen Durchbruch erzielt hat".
Ein Hauptproblem sieht Experte Mönks in den altershomogenen Klassen. Wenn alle 8-Jährigen oder 14-Jährigen etc. dieselbe Schulstufe besuchen, erschwere das die gezielte Förderung, sei es der schnelleren oder der lernschwachen Schüler. Daher sollten klassenübergreifende "Fähigkeitsgruppen" oder "Magnetgruppen" gebildet werden.
Ein Schwerpunkt des Kongresses mit internationalen Experten ist das Überspringen von Schulklassen. Derzeit kann ein Schüler einmal in der Volksschule, einmal in der Mittelstufe und einmal in der Oberstufe eine Klasse überspringen.
Professor Mönks, der als Wissenschafter maßgeblich am Österreichischen Zentrum für Begabtenförderung und Begabungsforschung in Salzburg mitarbeitet, fordert einen Umkehrung der Perspektive. "Man fragt übervorsichtig, welcher Schaden entstehen könnte, wenn ein Kind eine Klasse überspringt. Wir müssen fragen, was versäumt wird, wenn das Kinder unterfordert in seiner Jahrgangsklasse bleibt."
Ein Bremsklotz ist, dass das Überspringen einer Klasse dem Buchstaben des Gesetzes nach nicht an den Schnittstellen möglich ist. Gerade nach der vierten Klasse Volksschule wäre aber das Überspringen gewünscht, weil ohnehin ein Klassenwechsel eintritt.

Den Erfolg bestätigt eine jüngste Studie des Wiener
Erziehungswissenschafters Friedrich Oswald. 190 Kinder, davon 125 in der Volksschule, haben in den vergangenen Jahren den Sprung geschafft. Dabei ging die Initiative meist von den Lehrern aus. "Mit der Meinung, dass die Eltern drängen, kann aufgeräumt werden", sagt Oswald.

Die Erfahrungen seien zu weit über 90 Prozent positiv. Der Wissenschafter führt das teils auf den Mut der Lehrerinnen und Lehrer zurück, die pädagogisch Sinnvolles in Eigenverantwortung versuchten. "Etwa dass Kinder einige Monate probeweise an der nächsten Klasse teilnehmen können, um ihnen den endgültigen Überstieg zu erleichtern." Das sei nicht "streng gesetzeskonform, aber grundvernünftig und pädagogisch erfolgreich".

 Aktuell vom 16.10.2000

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