Unbescholtenheitserklärung


Hofrat Dr. Ludwig Sölder - 1993


Der Tiroler Ludwig Sölder aus Thaur bei Innsbruck bewahrte 1943 zwei jüdische Frauen in Jugoslawien vor dem Tod.

Er war damals als 21-jähriger Leutnant der Wehrmacht zu einer Infanteriedivision im Einsatzbereich Kroatien beordert worden. Die Einheit stand in Crkvenica, einem Küstenort an der nördlichen Adria. Eines Tages bekam Sölder den Auftrag, bei Nacht das Haus zweier jüdischer Frauen zu umstellen und die Frauen, Mutter und Tochter festzunehmen. Es handelte sich um zwei Jüdinnen, die angeblich mit Partisanen in Verbindung standen und diesen gelegentlich in ihrem Haus Unterschlupf gewährten. So wurde zumindest der Auftrag begründet.

Hofrat Dr. Sölder erzählt heute: "Als ich Mutter und Tochter in ihrer hilflosen Verzweiflung sah, verstärkte sich in mir als Frontkämpfer die innere Ablehnung eines Einsatzes gegen Zivilisten, die vor allem wegen ihrer jüdischen Abstammung verfolgt werden sollten." Er beorderte die Soldaten zurück und erteilte der jüngeren Frau den Auftrag, am darauffolgenden Vormittag bei ihm zur Vernehmung zu erscheinen.

Bei der Einvernahme gewann Sölder den Eindruck, dass die Frauen zu Unrecht beschuldigt wurden. Obwohl er sich der Gefahr bewusst war, stellte er ihnen, Zlata Schulteiss und ihrer Mutter, eine mit dem Stempel der Kompanie versehene "Unbescholtenheitserklärung" aus, damit sie gefahrlos den Krieg überleben könnten. Heute erklärt Hofrat Dr. Sölder: "Ich muss gestehen, dass mich die lebensgefährlichen Folgen dieser Aktion bis Ende des Krieges in Spannung hielten."

Schwer verwundet kehrte Sölder 1945 aus dem Krieg heim. Bald darauf begann er sein Studium an der Universität Innsbruck und übernahm später bei der Tiroler Landesregierung die Landesbildstelle.
Am 3. August 1995 fand im Bürgersaal des alten Rathauses in Innsbruck ein Festakt statt, in dem der Hofrat der Tiroler Landesregierung Dr. Ludwig Sölder vom Staat Israel und der israelitischen Kultusgemeinde in Innsbruck für seine Tat, die er 1943 als Offizier der Wehrmacht begangen hatte, geehrt wurde. Am Festakt nahm unter anderem auch die von ihm gerettete Zlata Schulteiss teil.


Die Gerechten Österreichs
Eine Dokumentation der Menschlichkeit
von Mosche Meisels


Umschlaggestaltung von Arje Weiss (einer der Geretteten)
Herausgegeben von der Österreichischen Botschaft in Tel Aviv
1996, S. 92.