Ukrainische Gehilfen


Ludwig und Wanda Semrad - 1979


Der Wiener Ludwig Semrad wurde 1941 von den Deutschen nach Jagielnica in Polen zur Leitung einer von Juden beschlagnahmten Zigarettenfabrik geschickt.

Semrad ließ den bisherigen jüdischen Direktor der Fabrik Wolkowitz auf seinem Posten. Er beschloß so viele jüdische Hilfsarbeiter wie möglich aufzunehmen, um sie vor der Deportation in ein Todeslager zu retten. Er erklärte der Gestapo, daß er dringend 50 jüdische Hilfsarbeiter benötige. Er wandte erfolgreich das Mittel der Bestechung an, um sie für seine Fabrik zu bekommen.

Die Gattin des jüdischen Direktors der Fabrik Bela Wolkowicz sagte aus, dass ihr Mann viele Jahre in der Zigarettenfabrik gearbeitet hatte. "Beim Einmarsch der Deutschen 1941 befürchteten wir, dass man ihn entlassen würde. Wir waren erstaunt, als der Direktor Ludwig Semrad ein herzliches Gespräch mit meinem Gatten führte, ihm mitteilte, dass es ihm erlaubt wäre, seinen Posten weiter zu behalten, obwohl er Jude sei. Er versprach auch meinem Mann, dass er ihm helfen weide, falls es nötig sei. Anfangs wussten wir nicht, wie wir die Worte des neuen Direktors bewerten sollten, dessen Verhältnis so anders war, als das der deutschen Gruppe, die in der Fabrik arbeitete. Aber bald konnten wir feststellen, dass er und seine Frau Wanda, eine Polin, ehrliche freundschaftliche Verhältnisse zu uns, wie auch zu anderen Juden, die man zur Arbeit nahm, schufen. Ludwig beschäftigte Juden auch zu fiktiven Diensten, um sie vor der Deportation nach Auschwitz zu retten und der Gestapo erklärte er, dass er diese Leute für den Kriegseinsatz nötig habe. In Fällen, wo diese Erklärung keine genügende Überzeugung fand, half er mit Bestechung nach. Den großen Mut von Wanda konnte ich bei der ersten Aktion im Sommer 1942 feststellen. Gestapomänner und ihre ukrainischen Gehilfen gingen damals von Haus zu Haus, um Juden zu verhaften. Wanda kam gerade von der Fabrik in das Städtchen und begann zwischen den Häusern umherzuirren, bis sie mich gefunden hatte, wie ich mich bei christlichen Nachbarn im Stall versteckt hielt. Sie ergriff meine Hand und marschierte zwischen den Mördern hindurch, bis wir in die Fabrik kamen. Auch unsere drei Kinder hat sie gerettet. Man brachte uns in eine Baracke neben der Fabrik und dort blieben wir bis zur Befreiung der Stadt. Die ganze Zeit haben uns Ludwig und Wanda ermutigt und ermuntert, dass wir keine Angst haben sollten, denn sie würden uns beschützen, damit uns nichts Böses passiere".

Semrad und seine Frau behandelten die jüdischen Hilfsarbeiter gut und sorgten für alles, was sie brauchten. Sie entlohnten sie auch. Die Hilfsarbeiter konnten bis zum Kriegsende in der Fabrik arbeiten und erlebten so die Befreiung.

Die Gerechten Österreichs
Eine Dokumentation der Menschlichkeit
von Mosche Meisels


Umschlaggestaltung von Arje Weiss (einer der Geretteten)
Herausgegeben von der Österreichischen Botschaft in Tel Aviv
1996, S. 89.