Maria Potesil - 1978
Die Wienerin Maria Potesil war verwitwet. Sie hatte zwei erwachsene Kinder und
ein Pflegekind, den 1924 geborenen Kurt Martinez. Bis zum Anschluss zog sie
Kurt ohne jede Schwierigkeit auf. Nachdem die Nürnberger Gesetze in Wien
in Kraft traten, stellte sich heraus, dass Kurt ein "Mischling" war.
Sein Vater war Jude. Seine christliche Mutter starb einen Monat nach seiner
Geburt. Nach denn Anschluß verlor Kurts Vater die Vormundschaft der Gemeinde
Wien. Maria Potesil machte alle Anstrengungen, um die Anerkennung Kurts als
"Mischling ersten Grades" zu erreichen. Die Nazibehörden lehnten
das ab. Maria wollte nicht auf Kurt verzichten. Sie war bereit, auf die tschechische
Staatsbürgerschaft zu verzichten, um die Vormundschaft für Kurt zu
bekommen. In ihrem Kampf kam sie oft mit der Gestapo in Konflikt und musste
Beleidigungen wie "arisches Schwein" hinnehmen. Einmal wurde sie von
einem SS-Mann tätlich angegriffen. Sie erlitt einen Herzanfall.
Sie richtete Gesucht an die Behörden, um Kurts Deportation zu verhindern. Die Gestapo gab nicht nach. 1942 wurde Kurt in ein von Juden bewohntes Haus im zweiten Bezirk überführt. Maria siedelte, ebenfalls in den zweiten Bezirk, um bei Kurt zu bleiben. Kurt musste den Judenstern tragen und Maria wurde von den Behörden verpflichtet, einen Judenstern an ihrer Wohnungstür anzubringen. Sie durfte nur in für Juden bestimmten Geschäften einkaufen. Die Nazis verdächtigten sie, eine Jüdin zu sein, die sich weigerte, den Judenstern zu tragen. Sie ging oft mit Kurt auf die Straße. Niemand verstand, wie sie als "Arierin" das wagen konnte.
Im September 1944 wurde Kurt in ein Transitlager in der Sperlgasse gebracht,
um nach Theresienstadt deportiert zu werden. Maria kämpfte weiter. Sie
lief von Behörde zu Behörde und versuchte sogar Bestechung, um eine
Freilassung Kurts zu erreichen. Diesmal hatte sie Erfolg. Nach seiner Freilassung
versteckte Maria Kurt in Wohnungen von Freundinnen und Bekannten. Kurt konnte
in diesen Wohnungen bis zum Kriegsende versteckt bleiben und überlebte.